Das Symposium 2023 der Schizophrenia International Research Society (SIRS) wurde am 11. Mai 2023 mit einem Satellitensymposium eröffnet: «Expanding therapeutic options for schizophrenia: considering patient preferences when developing novel long-acting injectable treatments».
Patientenpräferenzen berücksichtigen, um die Adhärenz zu verbessern
Prof. Eric Achytes (Western Michigan University, USA) eröffnete das Symposium. Er erläuterte, was man von den Präferenzen der Patient:innen lernen kann, um die Adhärenz in der Behandlung der Schizophrenie zu verbessern.
Über 50 % der Patienten halten ihr antipsychotisches Regime nicht ein.
Prof. Achytes legte Forschungsergebnisse vor, nach denen mehr als 50 % der Patient:innen ihr antipsychotisches Regime nicht einhalten1; mangelnde Adhärenz während der antipsychotischen Behandlung lässt jedoch das Risiko eines Rezidivs und einer erneuten Hospitalisierung signifikant ansteigen. Probleme mit der Therapietreue in Bezug auf die antipsychotische Medikation sind dabei häufiger in der frühen Phase der Erkrankung zu beobachten2, im weiteren Krankheitsverlauf nimmt die Inzidenz von Behandlungsabbrüchen tendenziell ab.2 Prof. Achytes stellte eine US-Studie vor, in der folgende Prädiktoren einer Non-Adhärenz herausgearbeitet wurden:3 erstmaliger Behandlungsbeginn, jüngeres Alter, Suchtmittelmissbrauch, Einnahme von Stimmungsstabilisierern, Antidepressiva, Anxiolytika oder Anticholinergika oder Erhalt von langwirksamen injizierbaren Antipsychotika (long-acting injectables, LAI) der ersten Generation.
Mangelnde Adhärenz im Rahmen einer antipsychotischen Behandlung lässt das Risiko eines Rezidivs signifikant ansteigen.
Im Gegensatz dazu hat sich die Einführung von LAI-Formulierungen oraler Antipsychotika der zweiten Generation als Strategie erwiesen, um die Compliance der Patient:innen zu verbessern.4
Diese Patient:innen berichten tendenziell über eine im Vergleich zu oralen Formulierungen stärkere Selbstbestimmung, höhere gesundheitsbezogene Lebensqualität und verbesserte Symptomatik.5 Zudem werden LAI mit längerem Dosierungsintervall gegenüber monatlich verabreichten LAI allgemein bevorzugt. Die Patienten geben dafür folgende Gründe an: Injektionen sind weniger häufig, Gefühl, weniger Medikamente zu erhalten, der behandlungsbezogene Planungsbedarf ist kleiner, erhöhte Stabilität, die Erkrankung steht nicht mehr so stark im Vordergrund.6 Alle diese Wahrnehmungen in Kombination wirken sich positiv auf das tägliche Leben und die sozialen Beziehungen der Patient:innen aus, verbessern dadurch ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität und ermöglichen ihnen, ihre jeweiligen Ziele zu verfolgen.6
Patienten zeigen gegenüber langwirkenden Injektionspräparaten eine grössere Adhärenz und berichten unter diesen Formulierungen über eine stärkere Selbstbestimmung sowie eine höhere Stabilität der Erkrankung.
Zum Schluss betonte Prof. Achytes, dass eine stärkere Berücksichtigung der Patientenpräferenzen in der Planung von Behandlungsregimes bei Schizophrenie letztlich zu einer höheren Adhärenz, einer höheren Zufriedenheit mit der Behandlung und zu besseren Behandlungsergebnissen führen kann.
Bridging pharmakokinetischer Daten
Prof. Ric Procyshyn (University of British Columbia, Kanada) skizzierte einen neuen Ansatz für die Entwicklung neuartiger Formulierungen zur Behandlung von Schizophrenie. Er wies darauf hin, dass bisher in klinischen Studien zu LAI-Formulierungen als Endpunkte die «Zeit bis zu einem bevorstehenden Rezidiv» oder die «Verschlechterung der Symptome» Anwendung fanden. Dieser Ansatz ist für die Patient:innen insofern risikobehaftet, als er möglicherweise ein Rezidiv nach sich zieht, die Progression der Erkrankung ermöglicht, das Ansprechen auf die Behandlung reduziert und das Risiko für Selbstmord, Suchtmittelmissbrauch und Gewalt erhöht.7 Das Wiederauftreten der Schizophrenie ist mit höherer Obdach- und Arbeitslosigkeit sowie einer insgesamt geringeren gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert.8
Untersuchungen zur Pharmakokinetik eines Arzneimittels sind integrale unverzichtbare Bestandteile der Arzneimittelentwicklung und des Zulassungsverfahrens.
Untersuchungen zur Pharmakokinetik (PK) eines Arzneimittels sind integrale unverzichtbare Bestandteile der Arzneimittelentwicklung und des Zulassungsverfahrens. Pharmakokinetische Daten lassen sich zum einen mithilfe traditioneller Ansätze gewinnen, d. h. über mehrere Blutproben einer kleinen Anzahl von Probanden, die normalerweise nicht an der zu untersuchenden Erkrankung leiden. Zum anderen kann ein populationsbasierter Ansatz angewendet werden: Dies erfordert weniger Blutproben von einer grösseren Zahl an Probanden, die aus der Patienten-Zielpopulation stammen.9 Dieser Ansatz erfordert die Entwicklung eines Modells zur Datenerfassung und -analyse. Gleichzeitig ermöglicht er die Quantifizierung von Kovariaten, die die PK beeinflussen können, z. B. Alter, Geschlecht, BMI etc.9
Das PK-Bridging ist ein Prozess, bei dem PK-Daten genutzt werden, um die Wirksamkeit einer neuen Version eines bereits zugelassenen Arzneimittels zu belegen. Es kann das Zulassungsverfahren beschleunigen, indem Studien der Phasen II und III umgangen werden. Dieses Verfahren beinhaltet die Datenerhebung, die Entwicklung eines Modells und dessen Validierung sowie Simulationen. Es wurde bei der Entwicklung neuer antipsychotischer LAI mit längeren Dosierungsintervallen bereits erfolgreich angewendet.
Das pharmakokinetische Bridging ist ein Prozess, bei dem PK-Daten genutzt werden, um die Wirksamkeit einer neuen Version eines bereits zugelassenen Arzneimittels zu belegen.
Im Vergleich zum traditionellen Ansatz, bei dem in klinischen Studien mit den Endpunkten «Zeit bis zu einem bevorstehenden Rezidiv» bzw. «Verschlechterung der Symptome» gearbeitet wird, kann ein effektiv eingesetztes PK-Bridging Kosten reduzieren, die Medikamentenentwicklung straffen und dazu beitragen, das Rezidivrisiko für die Patient:innen zu verringern.7
Pharmakokinetische Daten in klinische Wirksamkeit übertragen
Prof. Christoph Correll (The Donald and Barbara Zucker School of Medicine, USA) stellte anschliessend einige praktische Anwendungen des PK-Daten-Bridgings vor. Die während der Phase-I-, Phase-II- und Phase-III-Tests für ein LAI entwickelte PK-Modellierung wurde angepasst, um die Wahl und die Validierung der Dosis während der Entwicklung der länger wirkenden Version desselben LAI zu bestimmen.10 Auf ähnliche Weise wurde ein weiteres LAI entwickelt: Verwendet wurde eine expositionsangepasste PK‑Bridging-Strategie unter Einbezug von Daten aus einer Phase-I-Studie, in welcher Plasmakonzentrationen verglichen wurden.11
Die mit langsamer resorbierten LAI assoziierte stabilere Plasmakonzentration kann dazu beitragen, die Verträglichkeit zu verbessern und die Adhärenz zu erhöhen.12 Weniger Rezidive ziehen eine bessere Patientenadhärenz nach sich. Die mit langsamer resorbierten LAIs assoziierte stabilere Plasmakonzentration kann dazu beitragen, die Verträglichkeit zu verbessern und die Adhärenz zu erhöhen.
Eine bessere Patientenadhärenz wiederum resultiert in einer Stabilisierung der Erkrankung; dies kann genutzt, um den Patient:innen zu helfen, zwischen den Injektionen ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Laut Prof. Correll können jetzt psychosoziale Interventionen erfolgen. Wenn die Betroffenen die Möglichkeit haben, sich auf ihre eigenen Behandlungsziele zu konzentrieren, können sie sich von «schizophrenen Patienten» in «Patienten mit Schizophrenie» verändern.
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