Schizophrenie: Eine oder hunderte von Krankheiten?

Schizophrenie ist eine heterogene Erkrankung. Symptome, Verlauf und Behandlungsergebnisse variieren stark zwischen den Patienten. Zusammen mit multiplen ätiologischen Faktoren und pathopsychologischen Mechanismen lässt die extreme Heterogenität von Schizophrenie vermuten, dass Schizophrenie nicht eine einzige, sondern hunderte von Krankheiten darstellt, erklärten Experten am WCP 2022.

Schizophrenie ist nicht eine einzige Erkrankung

Die extreme Heterogenität der Schizophrenie1 lässt vermuten, dass es hunderte verschiedene Schizophrenien gibt 

Schizophrenie ist durch extreme Heterogenität charakterisiert, erklärte Professor Rajiv Tandon, Kalamazoo, MI.  Diese findet sich nicht nur in den Symptomen zwischen und innerhalb von Patienten, sondern auch im Verlauf der Krankheit und den Ergebnissen.1

Unterschiedliche Schaltkreise im Gehirn rufen mindestens 5 Symptomdimensionen hervor, darunter negative Symptome, positive Symptome, motorische Symptome, Stimmungs-Symptome und kognitive Defizite2, die alle unterschiedlich auf Antipsychotika ansprächen1 erklärte Professor Tandon.

Schizophrenie ist durch mindestens 5 Symptomdimensionen charakterisiert, die durch unterschiedliche Gehirnschaltkreise hervorgerufen werden und die unterschiedlich auf Antipsychotika ansprechen. 1,2

Zusätzlich tragen hunderte von Genen und eine Vielzahl von umweltbedingten Risikofaktoren zum Schizophrenie-Risiko bei.1

Trotz intensiver Forschung in den letzten 50 Jahren und der Verfügbarkeit leistungsfähiger bildgebender Verfahren und Untersuchungsinstrumente ist das Wissen über Schizophrenie gemäss Professor Tandon noch begrenzt.1,4 Es gäbe weder einen diagnostischen Test noch eine genügende Ätiologie oder Pathologie für die Diagnose.3

Hunderte von Genen und viele umweltbedingte Risikofaktoren beeinflussen das Risko für Schizophrenie. 1

Die vielen ätiologischen Schizophrenie-Faktoren und pathologischen Mechanismen legen, gemeinsam mit der extremen Heterogenität des Phänotyps, nahe, dass Schizophrenie nicht eine einzige Krankheit ist, sondern dass es hunderte von Schizophrenien gäbe, schloss Professor Tandon.

Sollte das Konstrukt der Schizophrenie aufgegeben oder gerettet werden?

Das aktuelle Konstrukt der Schizophrenie sollte zu einem (oder mehreren) datengestützten Konstrukten erweitert werden.

Professor Wolfgang Gaebel, Düsseldorf, Deutschland warnte davor, das bestehende Konstrukt der Schizophrenie aufzugeben, da es keine bessere Alternative gäbe.2 Das Konstrukt muss nicht gerettet werden, sagte er, sollte aber zu einem oder mehreren datengestützten Konstrukten übergehen. Um dies zu erreichen, stellte Professor Gaebel die folgenden Schritte vor:

  • Globale Implementierung der 11. Revision der International Classification of Diseases (ICD-11)5 und Harmonisierung mit der fünften Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5).6

Neue Konstrukte sollten entwickelt werden, einschliesslich fluider neuromentaler Konstrukte anstelle von Subtypen

  • Beibehaltung von Konzept und Benennung der «primären Psychosen»
  • Einbindung von Menschen mit erlebter Erfahrung
  • Intensivierung der weltweiten Forschungszusammenarbeit unter Verwendung eines mehrstufigen, innovativen, datengestützten, biopsychosozialen Ansatzes und Förderung der Entwicklung neuer Konstrukte einschliesslich fluider neuromentaler Konstrukte anstelle von Subtypen.

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References

  1. Keshavan MS, Nasrallah HA, Tandon R. Schizophrenia, "Just the Facts" 6. Moving ahead with the schizophrenia concept: from the elephant to the mouse. Schizophr Res. 2011;127(1–3):3–13.
  2. Gaebel W, Kerst A. The debate about renaming schizophrenia: a new name would not resolve the stigma. Epidemiol Psychiatr Sci 2019;28:258–261.
  3. Hany M, Rehman B, Azhar Y, Chapman J. Schizophrenia. 2022 May 22. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan–. PMID: 30969686. www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK539864/
  4. Tandon R, Keshavan MS, Nasrallah HA. Schizophrenia, "just the facts" what we know in 2008. 2. Epidemiology and etiology. Schizophr Res. 2008;102(1-3):1–18.
  5. World Health Organization. International Classification of Diseases 11th Revision. Available at https://icd.who.int/en. Accessed 27 Sep 2022.
  6. American Psychiatric Association. The Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition. Available at https://psychiatry.org/psychiatrists/practice/dsm. Accessed 27 Sep 2022